BILD.de macht frei … von Hintergrundwissen

Als ich mich nach den neuesten Uri-Geller-Aufgedeckt-Videos umgeschaut habe, bin ich peinlicherweise auf dieses Video gestoßen:

Da sagt eine 9live-Moderatorin mit dem IQ knapp über Zimmertemperatur zu einem Anrufer, der in wenigen Stunden arbeiten gehen muss und zu müde ist (klar, um 3 Uhr morgens) folgenden schwerwiegenden Satz: „Arbeit macht frei“.

Ich gehe nicht davon aus, dass sie wusste, was sie gesagt hat. Das ist auch gar nicht der Punkt. Diese getragene Stimme des Kommentators verursacht bei mir Pickel und dann noch ein vollkommen sinnfreier Text:

„‚Arbeit macht frei‚ ist die Parole, die über dem Konzentrationslager Ausschwitz stand.“ Oh… mein… Gott…

  1. Es heißt nicht „Aus Schwitz“ sondern Auschwitz (polnisch Oświęcim) wie „AU“ und dann „SCHWITZ“. Aus-Schwitz ist wahrscheinlich ein rechtsradikaler Saunaklub.
  2. Die Parole stand nicht nur in Auschwitz sondern auch in Dachau und Buchenwald.

PS: „Neuer Nazi-Skandal“ ist eine reißerische Umschreibung, dass BILD in den Medien mit der Lupe und viel Eigeninteresse einen Skandal künstlich aufbauscht, den sie mit dem Dschungelcamp aufgebaut haben: DJ Tomekk und der Nazigruß. Wie peinlich ist das denn? Aber das gab es doch schon mal, da hat BILD verzweifelt Bilder gesucht, auf dem die World Trade Center Twin-Tower mit einem Flugzeug zusammen zu sehen sind, damit man einen terroristischen Hintergrund konstruieren kann.

Sach mal, merkst du noch was?

Manchmal dauert es seine Zeit bis man eine gewisse Reife erlangt hat. Oder den Standpunkt des anderen versteht. Oder einen Fehler einsieht. Manchmal passiert es aber auch gar nicht. Es kann aber auch vorkommen, dass es einfach nur verdammt lange dauert.

Zwölf Tage, zum Beispiel, kann es dauern, bis ein B- bis C-Prominenter für die Quote eine TV-Show verlassen muss. DJ Tomekk hat vor dem Einzug ins Dschungel-Camp im Hotel in Australien die erste Strophe des Deutschlandlieds gesungen, wobei er auf der Stelle marschiert ist und die rechte Hand zum Hitlergruß erhoben hat. Die unwirkliche Szene endet mit dem Kommentar: „So viele Ausländer hier im Haus“. (BILD, BILDblog, tazblog) Es ist schwer zu glauben, dass diese Szenen gefilmt wurden ohne dass RTL es gemerkt hätte. Oder dass RTL diese Szenen erst 12 Tage nach dem Einzug gesehen hat. Oder dass es ein Skandal sein soll, dass jemand einen schlechten Witz oder eine unpassende Bemerkung gemacht hat. Um es mit einem unbestätigten Lübbke-Zitat zu sagen: „Meine Damen und Herren, liebe Neger.“

Manchmal dauert es allerdings auch mehrere Jahrhunderte bis man einen Fehler eingesteht. Wie bei der katholischen Kirche und Galileo Galilei bezüglich des Kopernikanischen Weltbilds. Galileo ist nicht nur eine Wissenssendung für geistig geforderte („Der perfekte Pfannkuchen“, „Würfel-Hotel“, „Bratwurst-Rutsche“) sondern war ein italienischer Naturwissenschaftler im 16. Jahrhundert. Er hat es sich damals mit der Kirche verscherzt, indem er das super-moderne Weltbild vertreten hat, dass die Welt keine Scheibe sondern rund ist, zusätzlich dreht sich die Erde um die Sonne und nicht umgekehrt.

Galilei wurde Opfer der Inquisition des Heiligen Offizium und musste seine Thesen verwerfen. Die katholische Kirche wollte nicht eingestehen, dass die Welt keine Scheibe ist. Die Gestirne haften wie Lichter an einer Art Käseglocke und die Sonne dreht sich um die Erde, die das Zentrum des Universums ist, Punkt. Das war 1633. Ein paar Jahre später (1979) ließ ein gewisser Papst Johannes Paul II. diesen Fall prüfen, indem er die Päpstliche Akademie der Wissenschaft mit der Aufklärung betraute. Wenig später kam man im Oktober 1992 dann zum Schluss: Galilei hatte vielleicht doch recht, ’schuldigung. Zwei Tage später wurde Galileo Galilei rehabilitiert. (wikipedia)

Am besten fand ich aber die Aussage von Sayyed Muhammad Hussein Fadlallahm, dem geistigen Oberhaupt der Schiiten im Libanon, die ich in der taz gelesen habe: „Eine muslimische Frau darf in Selbstverteidigung zurückschlagen, wenn sie von ihrem Mann geschlagen wird“. Ich will nicht behaupten, dass der Islam eine frauenfeindliche Kultur pflegt, aber diese Aussage ist für sich genommen revolutionär. Die vollkommen unislamische Schweiz hat selbst erst 1971 das Frauenwahlrecht eingeführt, also brauchen wir uns nicht über Frauenfeindlichkeit streiten. Es bedeutet, dass Frauen gleichberechtigt sind, ein Konzept wofür Generationen von Frauen in der westlichen Welt jahrzehntelang gekämpft haben. Es bedeutet, dass Gewalt gegen Frauen kein Tabuthema sein darf und verboten gehört. Und es bedeutet auch, dass Frauen Männer schlagen können und dürfen. Aber das weiß Stefan Raab schon länger.